Blogpost vom 10. Dezember 2021
Auf eine Tasse Java mit Eyad Kelleh
Eyad, dein Weg zu Micromata ist gefährlicher gewesen als der von den meisten von uns. Sag uns doch kurz, wo du herkommst und warum du dort fortgegangen bist.
Ich komme aus Aleppo, wo ich geboren wurde und aufgewachsen bin. Im Jahr 2011 begann der Bürgerkrieg in Syrien, das Leben hat sich um 180 Grad gedreht. Bis heute gibt es kaum Nahrung, Wasser oder Strom und es ist ziemlich gefährlich draußen. In vier Jahren des Krieges habe ich viele bedrohliche Situationen durchlebt. Deshalb habe ich viel Zeit zu Hause verbringen müssen.
Auch auf deinem Weg nach Deutschland bist du ja mehrfach in kritische Lagen geraten. Erzählst du uns kurz davon?
Während meiner Flucht bin ich wiederholt in Situationen gekommen, die mir meine Sterblichkeit sehr deutlich bewusst gemacht haben. Einmal auf dem Schlauchboot im Mittelmeer, das so überfüllt war, das schon zu sinken drohte, bevor es überhaupt abgelegt hat. Ein anderes Mal, noch in Syrien, hat mich ein bewaffneter Kämpfer des IS aus dem Bus getrieben und mir sein Gewehr an den Kopf gehalten – nur weil ich gesagt habe, dass ich studieren möchte. Dass ich beides überlebt habe, macht mich glücklich und unendlich dankbar.
Wer oder was hat dich jeweils gerettet?
Im Schlauchboot war es einfach nur Glück. Bei der Sache mit dem IS-Kämpfer war es das mutige Eingreifen eines Mitreisenden, der dem Mann Geld angeboten und mich so „freigekauft“ hat. Eine solche Zivilcourage ist selten und sehr kostbar. Was mich überdies getragen hat, ist der unbedingte Glaube daran, dass ich es schaffen kann.
Dein Weg hat dich letzten Endes nach Kassel geführt. Wie ist es dir hier ergangen?
Als ich aus Syrien floh, wusste ich nicht, wohin ich gehen sollte. Aber eines wusste ich schon: dass ich eines Tages den richtigen Ort finden und ihn mein neues Zuhause nennen werde. Weil Zuhause ja immer dort ist, wo man sich wohl fühlt. Ich habe meine neue Heimat in einer deutschen Familie gefunden, die mich wie einen Sohn aufgenommen hat. Dadurch habe ich übrigens zwei neue Schwestern gewonnen. Toll ist auch, dass ich hier meine Ausbildung zum Fachinformatiker machen konnte.
Wo ist deine syrische Familie und wie geht es ihr heute?
Meine Familie ist jetzt auch in Deutschland, aber es hat fünf Jahren der Trennung gegeben, bevor wir uns hier wiedersehen konnten. Ich bin froh, dass wir heute alle hier in Deutschland leben – auch, weil ich ich hier meine Ziele und Wünsche erfüllen kann und wir in einem sicheren, demokratischen und freiheitlichen Land leben. Diese Werte sind für mich sehr wichtig und dürfen meines Erachtens nie vergessen werden.
Gibt es etwas in Deutschland, das du besonders magst oder auch etwas, das du besonders merkwürdig findest?
Pünktlichkeit. Ich weiß, das ist ein Klischee, aber auf die Deutschen trifft es wirklich zu. Außerdem ist der Satz “WIE GEHT ES DIR?” hier ernst gemeint, was ich sehr mag. Und ich habe hier außerdem viel Hilfsbereitschaft erlebt – und die Einstellung, dass es für jedes Problem auch eine Lösung gibt.
Seit Juni 2021 bereicherst du unser Team als Softwareentwickler. Wie gefällt es dir bei Micromata?
Am meisten gefällt mir an Micromata, dass ich jeden Tag vor einer neuen Herausforderung stehe, für die ich eine Lösung finden muss. Das gibt mir die Möglichkeit, viele Technologien zu erlernen, mich weiterzuentwickeln und meine Ziele zu erreichen. Außerdem mag ich meine Kolleg:innen, die sich auch für mich als Mensch interessieren. Ich bin gespannt darauf, was mir die Zukunft bei und mit Micromata noch bringen wird.
Wir danken dir für das Gespräch, Eyad!
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